© Neukirchener Verlagsanstalt
Hast du auch manchmal ein schlechtes Gewissen, weil du so wenig betest? Oder fragst du dich, was Gebet überhaupt soll, da deine bisherigen Gebete nicht wie gewünscht erhört wurden?
Als Christin ist mir das Gebet wichtig. Wenn mich andere aber fragen, wie oft ich bete und was ich mit dem Gebet erlebe, beginne ich herumzudrucksen. Dann wird mir bewusst, dass ich zwar das Vater Unser auswendig kann und die richtigen Worte in einer Gebetsgemeinschaft finde, aber Gottes Gegenwart beim Beten erschreckend selten spüre.
Oder ich schicke in einer Notsituation ein Stoßgebet nach oben und es passiert nichts – wie letztes Jahr, als das Portemonnaie meines Mannes geklaut wurde. Ich lag Gott regelrecht in den Ohren, dass der Dieb wenigstens den Geldbeutel mit den Karten wegschmeißt und er gefunden wird – ohne Erfolg.
Da fragte ich mich dann schon als langjährige Christin: Habe ich nicht genug vertraut oder wieso greift ein allmächtiger Gott bei so einer Kleinigkeit nicht ein?
Radikale Ehrlichkeit statt fromme Tipps
Viele christliche Autoren haben verstanden, dass das Gebet ein sensibles Thema ist, bei dem Menschen sich Unterstützung wünschen. So gibt es zig Ratgeber auf dem christlichen Buchmarkt, die Menschen dabei helfen wollen, „richtig“ zu beten. Doch oft greift man zu diesen Büchern und bleibt danach ratlos zurück. Was sich bei den Autoren so einfach liest, lässt sich im eigenen Leben nur schwer umsetzen. Das ist zumindest meine Erfahrung.
In diesem Jahr ist nun ein neues Buch zum Thema Gebet herausgekommen, das einen ganz anderen Ansatz hat. In seinem Buch „Gesund beten statt gesundbeten: Wege aus toxischer Spiritualität“ räumt der Seelsorger Christof Lenzen mit etlichen Irrtümern zum Thema Gebet auf. Etwa, dass es eine richtige Form gibt zu beten oder man als Christ immer Freude am Gebet hat. Statt frommer Tipps setzt er auf radikale Ehrlichkeit.
Wenn nicht zusammenpasst, was ich glaube und was ich erlebe
Er ist der Ansicht: Wenn uns Gebet langweilig und mühselig vorkommt, hilft es nichts, einfach nur eine neue Gebetspraxis auszuprobieren. Dann ist vielmehr ein schonungsloser Blick auf mein eigenes Gottesbild vonnöten. Denn oft ist ein toxisches oder – anders formuliert – zu starres Gottesbild die Ursache, warum uns Gebet zunehmend schwerfällt.
Das kann so aussehen: Eine Erfahrung, die ich in meinem Leben gemacht habe, passt nicht mehr zu meinen Vorstellungen von Gott. Eventuell habe ich lange für Heilung gebetet, aber keine Heilung erfahren.
Diese Diskrepanz zwischen dem, was ich erlebe, und dem, was ich glaube, durch das Gebet erleben zu müssen, wird dann so groß, dass ich irgendwann aufhöre zu beten.
Was kann hier helfen? Christof Lenzen macht klar: Statt einfach weiterzubeten, ohne mit dem Herzen dabei zu sein, lohnt es sich, einen Schritt zurückzumachen und zu überlegen: Was hat meine Gebetskrise ausgelöst?
Gebet darf auch mal langweilig sein
Auch ist es wichtig, mich nicht zu vergleichen. Nur weil meine Bekannte jeden Morgen begeistert 3 Stunden betet, muss das bei mir nicht auch so sein. Ganz viele Probleme mit unserem Gebetsleben rühren laut Lenzen auch daher, dass wir zu große Erwartungen an uns selbst und das Gebet haben.
Wir machen uns innerlich Druck, wie Gebet zu sein hat, wie es sich anfühlen und was es bewirken soll. Doch genau das blockiert die echte Begegnung mit Gott, nach der wir uns doch eigentlich sehnen.
Dabei ist Gebet im Kern Beziehung. Ein Beispiel: Obwohl ich mit meinem Mann viele gute Gespräche führe, gibt es Tage, an denen wir nur wenige Worte wechseln und diese Worte auch noch völlig alltäglich bleiben. So kann es auch mal bei Gott sein. Das darf ich mir erstmal ohne schlechtes Gewissen eingestehen, um erst in einem zweiten Schritt zu überlegen, wie ich damit umgehen und was ich verändern möchte.
Theologische Fragen ganz neu denken
Aber was ist, wenn mir das Beten schwerfällt, weil mein Gebet eben keinen gestohlenen Geldbeutel versetzt, geschweige denn Berge? Wenn ich nicht das erlebe, was ich aus der Bibel zum Gebet herauslese? Bete ich dann falsch oder stimmt etwas mit meinem Gottesbild nicht?
Hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen und den ein oder anderen Punkt neu zu denken. An dieser Stelle gibt Christof Lenzen in seinem Buch etliche Beispiele für geistliche Denkblockaden, die mein Gebet und sogar meinen ganzen Glauben regelrecht vergiften können. Einfühlsam und konkret eröffnet er mögliche Auswege. Gerade seine Gedanken zum Fürbittegebet und Gottes Allmacht empfand ich als ungewöhnlich und wohltuend anders.
Als ausgebildeter Theologe mit langjähriger Erfahrung als Pastor und Seelsorger stellt er sich der Herausforderung, schwierige theologische Fragen komplett neu zu denken und auf das Leben anzuwenden. An einigen Stellen war seine Herangehensweise für mich neu und forderte meine eigenen theologischen Überzeugungen heraus. Doch ich habe seine Impulse immer als wohl durchdacht und biblisch sauber begründet wahrgenommen.
Selbst wenn ich manche theologische Auslegung Lenzens noch genauer durchdenken möchte, bevor ich entscheide, ob ich zustimme oder nicht, steht für mich fest:
Hier versucht jemand auf einer soliden biblischen und theologischen Grundlage Antworten auf schon lange drängende Fragen zu stellen.
Das ist gut und das braucht es in einer Zeit, in der sich theologische Positionen wieder verhärten, mehr denn je.
Keine Bevormundung, kein Druck
Neben all diesen Ansätzen bietet das Buch aber auch das, was man auf den ersten Blick von einem Buch über das Gebet erwartet: Ganz praktische Tipps und Anleitungen. Allerdings ohne großspurige Versprechen, dass diese oder jene Form mein Gebetsleben revolutionieren wird.
Stattdessen nimmt Lenzen die Leser sensibel an die Hand und bietet ihnen Optionen an. Er stellt zum Beispiel das Stillegebet als Gebetsmeditation vor und gibt Prinzipien weiter, die dabei helfen, die Bibel ohne falschen frommen Druck zu lesen.
Immer wieder ermutigt Lenzen als ausgebildeter Seelsorger und Traumatherapeut dazu, in sich hineinzuspüren, ob dieser Schritt für einen gerade dran ist oder nicht. Und er macht klar: Manche Formen toxischer Gottesbilder brauchen persönliche Seelsorge und Aufarbeitung, bevor neue praktische Ansätze dran sind.
Diese Art Lenzens, mir sowohl seine theologischen Gedanken als auch seine praktischen Tipps in puncto Gebet lediglich anzubieten, habe ich als sehr wohltuend und befreiend erlebt.
So baut sich beim Lesen nie innerer Druck auf, jetzt schnell etwas in meinem Gebetsleben ändern zu müssen. Stattdessen werde ich dafür sensibilisiert, dass ich Schritte der Veränderung in meinem eigenen Tempo gehen kann.
Ein außerordentliches Gebetsbuch
All dies macht dieses Buch zu einem außerordentlichen christlichen Sachbuch. Es ist mit Abstand das Buch, was mich in den letzten Jahren theologisch am meisten herausgefordert und mir gleichzeitig den größten Gewinn gebracht hat.
Am liebsten würde ich es jedem empfehlen. Mir ist aber bewusst, dass es kein Buch für jedermann ist. Denn wem es schwerfällt, theologisch um die Ecke zu denken oder wer vor allem einfache Anleitungen zum Gebet sucht, wird mit diesem Buch eventuell seine Schwierigkeiten haben.
Doch wenn du unzufrieden mit deinem Gebetsleben bist und Fragen zum Gebet hast, die du dich nicht traust, laut auszusprechen, greif zu diesem Buch. Der Autor wäre vermutlich vorsichtig mit einem solch vollmundigen Versprechen, aber ich bin überzeugt:
Dieses Buch wird revolutionieren, was du bislang über Gebet gedacht hast.
Rebecca Schneebeli
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Quelle: Gesund beten statt gesundbeten