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Bergsteiger und Jesusnachfolger

erstellt am 12.08.2025 00:00:00

Samuel Holzhäuer liebt die Berge – und das schon von Kindesbeinen an: Spätestens seit er mit 11 Jahren mit seinem Vater nach einem anstrengenden Aufstieg auf dem schweizerischen Säntis stand. Auch heute ist der Schuldekan in seiner Freizeit regelmäßig in den Alpen unterwegs.

Noch mehr begeistert Samuel Holzhäuer allerdings Jesus – auch, wenn das Unterwegssein mit Jesus sich manchmal mindestens so herausfordernd anfühlt wie eine Hochtour bei schlechtem Wetter. Beide Leidenschaften verbindet Samuel Holzhäuer in seinem aktuellen Buch „Holy Mountain – Von den Bergen für unsere Jesus-Nachfolge lernen“.

Ich treffe Samuel Holzhäuer in seiner Wahlheimat, dem württembergischen Allgäu, wo er mir von seinen schönsten Gipfelerlebnissen und dem Glauben in Nebelzeiten erzählt. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu einer kleinen Wanderung.
 

ERF: Du bist in deiner Freizeit viel in den Alpen unterwegs – besonders gern auf wenig ausgetretenen Pfaden, etwa bei Hochtouren. Auch mit viel Erfahrung und guter Vorbereitung bleibt da immer ein Restrisiko, oder?

Samuel Holzhäuer: Ja, ich habe tatsächlich schon verschiedene Situationen erlebt, die nicht ohne waren. Ich bin sehr dankbar, dass da nichts Schlimmeres passiert ist und dass alles glimpflich ausging. Das ist nicht selbstverständlich, selbst bei bester Vorbereitung.
 

ERF: Zum Beispiel?

Samuel Holzhäuer: Meine erste Hochtour ging mit einer Gruppe an die Wildspitze, in den österreichischen Alpen. Nach der Gipfelbesteigung sind wir am nächsten Tag wieder zurück in das Nachbartal, auf dem Weg musste man 15 Höhenmeter klettern.

Mein Kletterpartner und ich sind etwas weiter rechts geklettert als die anderen. Was wir nicht ahnten: Der Fels war da sehr viel brüchiger. Er ist vorausgegangen und hat einen Stein losgetreten, der meinen Hinterkopf getroffen hat. Ich habe den Schlag gespürt, habe mit der Hand an meinen Kopf gegriffen und hatte eine Platzwunde. Ich musste abklettern und mich selbst notfallmäßig mit einem Papiertaschentuch versorgen, da waren die anderen alle schon oben.

Einer aus unserer Gruppe war Sanitäter und konnte mir später einen schönen Druckverband verpassen. So schnell kann es gehen in den Bergen, vor allem dann, wenn in so einer Situation der Kletterhelm sicher am Rucksack verstaut ist, anstatt auf dem Kopf zu sein.
 

ERF: Bekommt man im Laufe des Bergsteigens mehr Respekt für die Berge und die Gefahren, die mit dem Bergsport einhergehen? 

Samuel Holzhäuer: Ja, definitiv. Ich muss sagen, als Jugendlicher hat man das Gefühl, man könnte Bäume ausreißen und Berge bezwingen. Die Ehrfurcht und der Respekt sind bei mir über die Jahre hinweg gewachsen.

Da ist eine große Demut, die damit einhergeht, in den Alpen unterwegs sein zu dürfen und zu merken, wo meine Grenzen sind und dass der Berg definitiv immer stärker ist als ich.

Was haben Bergsteigen und Jesus gemein?

ERF: Du verbindest in deinem Buch „Holy Mountain“ zwei Themen, die auf erstem Blick nichts miteinander zu tun haben: die Berge und Jesus. Sag mal, war Jesus auch auf Bergen unterwegs?

Samuel Holzhäuer: Ja, ganz faszinierend finde ich, dass Jesus sich immer wieder auf Berge zurückgezogen hat, um zu beten. Das ist mehr als einmal erwähnt. Und dann gibt es die Geschichte am sogenannten Berg der Verklärung, wo ein ganz besonderes Ereignis in der Abgeschiedenheit des Gipfels stattfindet. Auch die Bergpredigt, die wahrscheinlich bekannteste Predigt Jesus, hat auf einem Berg stattgefunden.
 

ERF: Für mich ist bemerkenswert, dass Jesus gerne auf Berge gegangen ist, um sich zurückzuziehen. Auch heute zieht es viele Menschen in die Berge, die nach Ruhe und Stille suchen. Geht es dir auch so?

Samuel Holzhäuer: So schön wie es ist, mit anderen Menschen in den Bergen unterwegs zu sein: Ich genieße es tatsächlich besonders, ganz allein unterwegs zu sein. Denn da komme ich in einer Tiefe zur Ruhe, wie ich es nicht allein in einem Zimmer schaffe.

Jesus, der beste Bergführer

ERF: In deinem Buch ziehst du einen interessanten Vergleich zwischen Jesus und einem Bergführer. Was macht denn einen guten Bergführer oder eine gute Bergführerin aus?

Samuel Holzhäuer: Erst einmal große Erfahrung und fundiertes Wissen. Aber diese Erfahrung behält ein guter Bergführer nicht nur für sich selbst, sondern will sie weitergeben. Gute Bergführer multiplizieren ihr Wissen. Sie führen ihre Gruppe sicher, aber im besten Fall lernt man selbst dabei auch ganz viel und kann etliches von ihnen übernehmen.

Vieles an dem Bild des Bergführers lässt sich wunderbar auf Jesus übertragen: Bergführer gehen voran, genauso dürfen wir Jesus nachfolgen.

Der Bergführer nimmt seine Gäste ans Seil: Mal ist es das kurze Seil, wenn es brenzlig wird, mal ist es ein langes Seil mit viel Spielraum. 

Genauso habe ich die Beziehung zu Jesus erlebt, dass es ganz unterschiedliche Abschnitte auf meinem Lebensweg gibt. Mal spüre ich vielleicht nicht so direkt diese Verbindung, aber spätestens im Rückblick merke ich, dass der Bergführer Jesus die ganze Zeit da war. Das beschreibt für mich den Kern von dem, um was es in dieser Jesusnachfolge geht.
 

ERF: Das Wort „Nachfolge“ ist in deinem Buch zentral. Es findet sich sogar im Untertitel „Von den Bergen für unsere Jesusnachfolge lernen“. Was heißt das eigentlich: Nachfolge?

Samuel Holzhäuer: Nachfolge heißt für mich, Jesus zu folgen – und ich meine das ganz praktisch. Wir reden heute davon, dass wir Christinnen und Christen sind, aber die erste christliche Gemeinschaft bezeichnete sich einfach als „Menschen auf dem Weg“. Das heißt, dieser Aspekt der Bewegung war schon von Anfang an dabei.

Der Begriff „Christen“ ist erst später aufgetaucht. Für mich heißt das:

Christen sind Menschen, die auf diesem Weg, dem Jesusweg, gehen und ganz praktisch Jesus in dem nachfolgen, was er uns vorgelebt hat.

Orientierung im Nebel des Lebens

ERF: Im Buch schreibst du, dass es Situationen gab, bei denen du auf diesem Jesusweg feststellen musstest, dass das mit dem Christsein gar nicht so einfach ist. Was war los? 

Samuel Holzhäuer: Dazu mal ein Bergbild aus meinem Buch: Stell dir vor, du bezahlst Geld für einen Bergführer. Er hat dich exzellent vorbereitet auf die Tour und ist mit dir zur Hütte aufgestiegen. Morgens um drei weckt er dich und im Hütteneingang sagst du zu ihm: „Vielen Dank, ab hier schaffe ich es allein.“ Das wäre doch ein absurdes Verhalten! 

Tatsächlich leben wir Christen oft auf eine ähnliche Weise: Als Jugendlicher habe ich ein Armband getragen mit den Buchstaben: WWJD. Das steht für „Was würde Jesus tun?“. Im Rückblick muss ich sagen, das kann einen ganz schön unter Druck setzen, aus eigener Kraft so leben zu wollen wie Jesus. Ich bin irgendwann an den Punkt gekommen, zu sagen: „Christsein ist nicht einfach, es ist auch nicht schwer; es ist unmöglich,“ wie Hans Peter Royer es ausgedrückt hat.

Nur aus der ständigen Verbindung zu Jesus kann Christsein letztlich funktionieren. Es geht gar nicht darum, dass wir es aus unserer eigenen Kraft tun.

Die Frage sollte also nicht lauten „Was würde Jesus tun?“, sondern „Was ist jetzt dran, Jesus? Was hast du mir vor die Füße gelegt?“
 

ERF: „Was ist jetzt gerade dran?“ Das ist ein Satz, der auch beim Bergsteigen entscheidend sein kann. Vor allem dann, wenn die Orientierung am Berg schwer wird. In solchen Situationen greifen Bergsteiger gern zu alten bewährten Mitteln: Kompass und Karte. Denn die brauchen keinen Strom, keinen GPS-Empfang, kein Handynetz. 

Samuel Holzhäuer: Absolut. Im Buch vergleiche ich den Heiligen Geist mit dem Kompass. Denn auch in unserem Leben gibt es oft genug Situationen, in denen im übertragenen Sinne die Wolken zuziehen. In denen es schwierig ist, klare Wegmarkierungen zu finden.

Wie großartig ist es, dass Gott ein lebendiger Gott ist, der uns seinen Heiligen Geist gibt, der uns in so einer Situation wie ein Kompass die Richtung zeigen kann.

Für mich ist Sprüche 3, 5-6 ein Lebensvers: „Vertraue auf den Herrn von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen Verstand; erkenne ihn auf allen deinen Wegen, so wird er deine Pfade ebnen.“ 

Ein Kompass gibt uns eine Richtung vor, ohne uns immer genau zu zeigen, wo es hingeht. So erlebe ich oft diese Gottesbeziehung.

Zwischen Stillstehen und vertrauensvoll Losgehen

ERF: Das ist der Unterschied zwischen einem Navigationsgerät und einem Kompass: Das Navi sagt mir sofort, wenn ich irgendwo falsch abbiege. Der Kompass gibt nur eine Richtung vor, ohne einen genauen Weg zu definieren. 

Samuel Holzhäuer: Genau. In meinem Leben habe ich tatsächlich ein paar Mal erlebt, wie ich von Gott klar geführt wurde. Ich habe aber auch andere Zeiten erlebt, in denen mir gar nichts klar war, ich aber mit der Zeit den Eindruck hatte, dass ich Schritt für Schritt vorankomme.

Und dann gabʹs Zeiten, in denen ich in einer Sackgasse gelandet bin. In so einer Situation war mein ehrliches Gefühl, dass ich schlichtweg im Nebel stecke. Einfach ist es, wenn es da um Tage geht. Schwieriger wird es, wenn ich mich Wochen oder Monate orientierungslos fühle.
 

ERF: Wie gehst du mit solchen Situationen um?

Samuel Holzhäuer: Für mich sind es zwei Dinge: Als Erstes einmal ganz bewusst innezuhalten und den Blick neu auszurichten, vielleicht auch neu ausrichten zu lassen. Doch ergänzend dazu gibt es eine zweite Seite dieser Medaille: Ich habe oft genug erlebt, dass es gut ist, dann einfach nach bestem Wissen und Gewissen, mit dem Blick auf Jesus, loszugehen und Schritte zu gehen.

Ich glaube, dass eine Person, die in Bewegung ist, sich sehr viel leichter leiten lässt als jemand, der stillsteht. 

Es braucht beides: bewusst stillzustehen, nach Orientierung zu suchen und dann vertrauensvoll loszugehen und sich leiten zu lassen.

Am Gipfelkreuz gesichert

ERF: Das Ziel der meisten Bergtouren ist es, einmal ganz oben zu stehen – unterm Gipfelkreuz. Gibt es ein Gipfelerlebnis, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Samuel Holzhäuer: Einer der besonderen Gipfel war die Weißkugel oder auch Palla Bianca, ein Grenzberg zwischen Österreich und Italien. Der Anstieg war kräftezehrend: eine steile 40 Grad Schneeflanke. Wir waren alle gehörig aus der Puste, aber einer aus unserer Gruppe hatte vorher einen Infekt gehabt und hat tatsächlich angefangen zu schwanken da oben am Gipfel. Der Erfahrenste aus unserer Gruppe hat ihn kurzerhand am Gipfelkreuz eingeklinkt. 

Das war so ein besonderer Moment, der mich auch im Nachhinein bewegt hat: Wie die Person da am Kreuz eingeklinkt wurde und dort einen Ankerpunkt gefunden hat.

Ich glaube, dass das viel von dem aussagt, was das Kreuz Jesu für mein Leben bedeutet, dass es wirklich ein Ankerpunkt für mich ist und ich mein Leben von diesem Kreuz aus leben möchte.

ERF: Vielen Dank für das Interview.

Interview: Tanja Rinsland, schriftliche Überarbeitung: Tanja Rinsland / Rebecca Schneebeli
 

Tanja Rinsland


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Quelle: Bergsteiger und Jesusnachfolger

von youthweb

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