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Genüsslich drehe ich den Lautstärkeregler hoch. Hinter mir liegt ein langer Arbeitstag und die Musik gibt mir im Auto Vorschub für den Heimweg. Wieder einmal bin ich dankbar, dass ich selten Kollegen mitnehme. Denn mein Musikgeschmack ist nicht nur ungewöhnlich, sondern könnte bei manchen Christen auch irritiertes Augenbrauenhochziehen auslösen. Deswegen rede ich selten darüber, was ich höre. Geht ja auch niemanden was an.
Dennoch nervt es mich, wie schnell mich andere nach solchen Äußerlichkeiten bewerten. Und zwar nicht, weil sie die Musik doof finden – das ist ihr gutes Recht –, sondern weil sie für „unchristlich“ halten, was ich höre.
Ich erinnere mich bis heute daran, wie mein damaliger bester Kumpel mir eine CD mit christlichem Metal brannte, damit ich diverse andere Metal-Bands nicht mehr höre. Ich habe seine CD gerne gehört, schmunzle aber selbst jetzt noch über sein Handeln. Denn erstens war es damals illegal CDs zu brennen und zweitens war ich schon viel länger als er Christ und wusste, dass Gott mich an anderen Maßstäben als meinem Musikgeschmack misst.
Gott sieht ins Herz
Gott erteilt in der Bibel äußerlichen Entscheidungskriterien immer wieder eine Absage. Als etwa der Priester Samuel den späteren König David salben soll, muss Gott ihn daran hindern, einen der größeren vielversprechenderen Brüder Davids zu salben. Gott sagt zu ihm: „Ich urteile anders als die Menschen. Ein Mensch sieht, was in die Augen fällt; ich aber sehe ins Herz“ (1. Samuel 16,7). Gott sieht etwas in dem kleinen Hirtenjungen David, was Samuel nicht sehen kann.
Gott beurteilt uns weder nach unserem Aussehen noch nach unserem Musikgeschmack. Zu ihm darf ich mit Tattoo und Piercing kommen und auch anderes als Lobpreismusik hören.
Natürlich lädt er mich dazu ein, zu reflektieren, ob mir guttut, was ich konsumiere. Aber das ist eine Sache zwischen mir und Gott. Wenn es um meine Beziehung zu anderen geht, ermutigt Gott mich und sie, nach dem Herz des anderen zu forschen und Äußerlichkeiten außen vorzulassen.
Sind wir besser, weil wir die Dinge richtig machen?
Warum bewerten wir andere dennoch so oft nach dem, was wir auf den ersten Blick sehen? Schon wenn ich nur einkaufe oder mit dem Zug fahre, checke ich andere Menschen automatisch ab und ziehe aus meinem ersten Eindruck Rückschlüsse auf ihren Charakter: „So wie der aussieht, muss der wohl …“ Und es geht weiter mit Musikgeschmack, Kleidungsstil oder Hobbies meiner Arbeitskollegen und Bekannten. Sicher fällt auch dir direkt ein Beispiel ein.
Dass wir als Menschen andere einzuordnen versuchen und dabei auch mal Schubladendenken bemühen, ist das eine. Das lässt sich nicht gänzlich vermeiden. So funktioniert unser Denken einfach. Problematisch wird es, wenn wir überheblich werden, weil wir uns für etwas Besseres halten als sie und glauben, die Dinge richtiger zu machen.
Wenn unser Beurteilen andere am Glauben hindert
Besonders traurig aber wird es, wenn Christen dies tun. Denn wer die Bibel kennt, weiß ja um Gottes Maßstab, Menschen nach ihrem Herzen und nicht nach Äußerlichkeiten zu beurteilen. Er oder sie hat also eine noch größere Verantwortung, Menschen anders zu begegnen.
Doch oft passiert das Gegenteil. Christen übertragen, was ihnen selbst in der Beziehung zu Gott guttut, auf andere.
So wie mein Kumpel damals, für den es nach seiner Hinwendung zu Gott ein wichtiger Glaubensschritt war, andere Musik als vorher zu hören. Doch für mich, die sich als Gemeindekind gerade aus allzu starren Glaubensmustern löste, passte das nicht.
Im schlimmsten Fall knallen wir dadurch sogar anderen die Tür zu Gott zu. Denn wie passt es zusammen, dass man mir sagt, dass Gott mich annimmt, wie ich bin, ich mich aber erstmal ändern muss, um zu seiner Gemeinschaft zu gehören? Und wenn man dort die Nase über mein Aussehen oder meinen Musikgeschmack rümpft, wieso sollte ich da überhaupt hingehen?
Auf mich selbst statt auf andere schauen
Vor allem aber lenkt mich die Konzentration auf die vermeintlichen Fehler des anderen davon ab, bei mir selbst genauer hinzuschauen. Jesus ermahnt seine Nachfolger in Matthäus 7,14: „Wie kannst du zu deinem Bruder oder deiner Schwester sagen: ‚Komm her, ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen‘, wenn du selbst einen ganzen Balken im Auge hast?“
Wir sind alle nicht perfekt und vielleicht bietet mir die vermeintliche Schwachstelle eines anderen eine super Gelegenheit, mit ihm auf seine Probleme zu schauen, statt mir meine eigenen anzusehen.
Mich ermahnt dieser Vers, immer zuerst bei mir selbst statt beim anderen zu schauen. Denn ich bin nicht besser als der Rest – du übrigens auch nicht.
Das beginnt für mich damit, mich nicht cooler zu fühlen, weil ich als Christin vermeintlich „weltlichere“ Musik als andere höre. Ob Metal, Schlager oder Lobpreis – wenn meine Beziehung zu Gott stimmt, ist es egal, was ich höre. Ganz und gar nicht egal ist jedoch, mit welcher Haltung ich anderen begegne.
Rebecca Schneebeli
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Quelle: Besser als der Rest?