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Ich wünsche mir manchmal einen Schalter, mit dem ich den Stress einfach ausschalten kann. Da bin ich nicht die Einzige. Die Nachfrage nach hilfreichen Strategien für den Umgang mit Stress ist riesig. Entsprechend voll sind die Ratgeberregale in den Buchhandlungen.
Der Stressbewältigungstrainer Jonathan Gutmann arbeitet in einer psychiatrischen Klinik und befasst sich seit mehr als 15 Jahren intensiv mit dem Thema Stress und seinen Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Er hat sich die effektivsten, wissenschaftlich anerkannten Umgangsformen mit Stress angeschaut und festgestellt: Das ist alles nichts Neues. Denn zahlreiche Ansätze finden wir bereits in der Bibel.
Die Bibel ist quasi eine Art Stress-Management-Sammlung: Gott bietet uns in seinem Wort viele ermutigende Geschichten, Texte und einzelne Sätze, die uns eine Hilfestellung im Leben sein sollen. Drei biblische Tipps gegen Stress aus dem Buch von Jonathan Gutmann „Jesus aber schlief“ stelle ich dir hier vor.
1. Erkenne und akzeptiere deine Grenzen
Das klingt einfacher, als es oft ist. Denn unser Alltag ist voller Erwartungen, Anforderungen und Ansprüchen. Wir versuchen, es allen recht zu machen – im Beruf, in der Familie, im Freundeskreis. Dabei geraten wir schnell unter Druck und überfordern uns. Die Folge: Wir stoßen an unsere Grenzen oder gehen sogar darüber hinaus.
Wer seine eigenen Bedürfnisse ständig zurückstellt, gefährdet auf Dauer seine körperliche und seelische Gesundheit. Und doch leben wir in einer Welt, die uns vorgaukelt, alles sei möglich – jederzeit, überall, unbegrenzt. Umso schwerer fällt es, anzuerkennen: Wir sind begrenzte Wesen. Unsere Kraft, unsere Zeit, unser Handlungsspielraum – all das ist endlich.
Grenzen zu akzeptieren ist kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil: Wer seine Grenzen kennt und respektiert, gewinnt Klarheit, Stärke und innere Freiheit.
Denn Grenzen sind nicht nur Hindernisse, sie schützen auch. Sie bewahren das, was dir wichtig ist, und setzen gesunde Rahmenbedingungen. Gute Grenzen geben dir Sicherheit.
Doch um dich selbst gut abgrenzen zu können, musst du zuerst deine eigenen Grenzen kennen. Wo verläuft deine Schmerzgrenze? Wann ist der Punkt erreicht, an dem du bewusst und entschieden „Nein“, „Stopp“ oder „Das geht nicht mehr“ sagen musst? Je klarer du deine Grenzen benennen kannst, desto leichter kannst du sie auch gegenüber anderen vertreten – ohne schlechtes Gewissen.
Zwischen Mut und Überforderung
Ein eindrückliches Beispiel für das Erleben menschlicher Grenzen findet sich im Leben von Petrus, einem engen Freund von Jesus. In einer stürmischen Nacht sind die Jünger mit dem Boot auf dem See unterwegs. Plötzlich sehen sie Jesus. Er kommt ihnen zu Fuß auf dem Wasser entgegen (vgl. Matthäus 14,28–31).
Petrus ist mutig. Er tritt aus dem Boot und geht tatsächlich ein paar Schritte auf dem Wasser – ein Moment, in dem die Grenzen des Machbaren verschwimmen. Doch dann sieht er die Wellen, bekommt es mit der Angst zu tun und sinkt in die stürmischen Fluten.
Jonathan Gutmann schreibt dazu: „Petrus kannte die Grenzen, die die Natur ihm vorgab. Er wusste, dass es für jeden normalen Menschen unmöglich ist, auf dem Wasser zu gehen. Andererseits hatte er mit eigenen Augen gesehen, dass für Jesus diese Grenzen nicht gelten.“
Petrus vertraute – und zweifelte dann doch. Ein Bild, das uns bekannt vorkommen dürfte: Wir wachsen über uns hinaus, trauen uns etwas zu – und geraten plötzlich ins Schwimmen angesichts von Anforderungen, Druck und Angst.
Aber Petrus ist nicht allein auf dem Wasser. Jesus streckt ihm die Hand entgegen und zieht ihn wieder auf das Wasser, als Petrus im Begriff ist zu versinken.
Grenzen annehmen und in Gottes Kraft leben
Genau das gilt auch für uns: Wenn wir an unsere Grenzen stoßen, dürfen wir uns an Jesus wenden. Er überfordert uns nicht – im Gegenteil: Er kennt unsere Belastbarkeit und steht uns bei. Das schreibt auch der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth: „Aber Gott ist treu und wird nicht zulassen, dass die Prüfung über eure Kraft geht. Wenn er euch auf die Probe stellt, sorgt er auch dafür, dass ihr sie bestehen könnt“ (1. Korinther 10,13).
Diese Zusage macht Mut: Wir müssen nicht alles schaffen. Wir dürfen unsere Grenzen akzeptieren – nicht als Defizit, sondern als Einladung, gut für uns selbst gut zu sorgen, ehrlich zu uns zu sein und auf Gottes Hilfe zu vertrauen.
Denn Gott sind keine Grenzen gesetzt. Wo wir an unsere menschlichen Möglichkeiten stoßen, öffnet sich sein Raum des Wirkens. Darum gilt: Du musst nicht alles können. Aber du darfst alles, was dich überfordert, in Gottes Hand legen – und zur Ruhe kommen.
2. Gönne dir regelmäßige Ruhepausen und ausreichend Schlaf
„In der Ruhe liegt die Kraft“ – dieses Sprichwort bringt es auf den Punkt. Ruhe ist ein wirksames Mittel gegen Stress, Hektik und Überforderung. In der göttlichen Ordnung spielt Ruhe sogar eine zentrale Rolle: Schon in der Schöpfungsgeschichte wird ein ganzer Tag der Ruhe gewidmet.
Gott arbeitet sechs Tage und ruht am siebten, als sein Werk vollendet ist. Für den Menschen sieht die Reihenfolge jedoch anders aus: Er wird am sechsten Tag erschaffen und beginnt sein Leben nicht etwa mit Arbeit, sondern mit dem Ruhetag.
Der erste Tag des Menschen ist ein Tag des Innehaltens, der Gemeinschaft mit Gott, ein Tag zum Auftanken.
Auch heute lädt Gott uns mit dem Sonntag ein, zur Ruhe zu kommen und in die Begegnung mit ihm. Dieser Tag ist nicht bloß arbeitsfrei, sondern heilig. Er schenkt dir Raum, dich zu erholen und neu auszurichten. Wie verbringst du deinen Sonntag? Gönnst du dir wirklich die Pause, die Gott dir schenken möchte?
Kleine Ruheinseln im Alltag
Doch nicht nur am Sonntag, auch unter der Woche brauchen wir bewusst gesetzte Pausen, um neue Kraft zu schöpfen. Schon Jesus selbst zog sich inmitten seines trubeligen Alltags regelmäßig zurück, um still zu werden, allein zu sein und ins Gespräch mit Gott zu gehen.
Was hilft dir, für einen Moment dem Alltagsstress zu entfliehen? Vielleicht ein kurzer Spaziergang nach dem Essen, ein Mittagsschlaf, eine ruhige Tasse Kaffee oder eine halbe Stunde ohne Handy am Abend?
Wenn es dir schwerfällt, dir Zeit für Ruhe zu nehmen: Trage sie bewusst in deinen Kalender ein – wie einen Termin, der nicht verschoben werden darf. Regelmäßige Pausenzeiten sind nicht zweitrangig, sondern grundlegend.
Die unterschätze Kraft des Schlafs
Auch Schlaf gehört zu den elementaren Ruhequellen. Erst wenn wir nicht genug schlafen, merken wir, wie sehr unser Körper, unsere Konzentration und unsere Stimmung darunter leiden. Schlafmangel macht uns unkonzentriert, gereizt und abgeschlagen.
Stress und Schlafmangel stehen dabei in enger Wechselwirkung: Das eine bedingt das andere. Deshalb ist es entscheidend, rechtzeitig zur Ruhe zu kommen und eine gesunde Schlafhygiene zu pflegen. Grübeleien, Sorgen und kreisende Gedanken rauben uns oft den Schlaf. Wir durchdenken ungelöste Probleme und malen uns die Sorgen von morgen aus.
Doch die Bibel spricht immer wieder davon, im Hier und Jetzt zu leben und dabei Gott zu vertrauen: „Also macht euch keine Sorgen! Fragt nicht: ‚Was sollen wir essen?‘ ‚Was sollen wir trinken?‘ ‚Was sollen wir anziehen?‘ (…) Quält euch also nicht mit Gedanken an morgen; der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene Last hat“ (Matthäus 6,31-34).
Jesus selbst gibt uns das beste Beispiel: Selbst mitten im Sturm schlief er ruhig auf einem Boot (vgl. Matthäus 8,24). Denn er wusste, dass sein himmlischer Vater die Kontrolle behält. Auch wir dürfen uns im Schlaf Gottes Fürsorge überlassen.
Ein weiteres Gleichnis macht das deutlich: Jesus vergleicht das Reich Gottes mit einem Bauern, der seine Felder bestellt (vgl. Markus 4,26–27). Nachdem er seine Arbeit getan hat, legt er sich schlafen – und währenddessen wächst die Saat, ohne dass er etwas dazu beitragen müsste.
Auch wir dürfen loslassen, was wir nicht beeinflussen können. Bevor du schlafen gehst: Halte kurz inne. Du hast heute dein Bestes gegeben. Der Rest liegt in Gottes Hand.
3. Bewahre Ruhe und vermeide übermäßige Emotionalität
Emotionen sind gut und wichtig. Sie zeigen uns, was uns am Herzen liegt. Doch übermäßige Emotionalität kann zur Belastung werden. Besonders in stressigen Zeiten fällt es uns oft schwer, unsere Gefühle im Griff zu behalten. Kommen inmitten der Hektik auch noch Konflikte oder Probleme hinzu, sind wir schnell überwältigt. Gefühle wie Angst, Wut oder Enttäuschung nehmen überhand – und nicht selten sagen oder tun wir Dinge, die wir später bereuen.
Gerade dann ist es wichtig, erst einmal Ruhe zu bewahren. Wenn du merkst, dass starke Emotionen in dir aufsteigen, kann es helfen, sie bewusst wahrzunehmen und für dich zu benennen. Mache dir klar: Deine Gedanken und Reaktionen werden in diesem Moment von starken Gefühlen beeinflusst.
Emotionen zeigen dir, wo deine Bedürfnisse liegen, sie können aber auch deine Wahrnehmung verzerren und dich zu vorschnellen Handlungen verleiten.
Tritt einen Schritt zurück
Ein erster Schritt kann sein, etwas Abstand zur Situation zu gewinnen: Atme tief durch. Mach einen kurzen Spaziergang. Verlasse, wenn möglich, für einen Moment den Raum. Solche Unterbrechungen helfen dir dabei, deine Mitte wiederzufinden und die Emotionen etwas abkühlen zu lassen – bevor du unüberlegt reagierst, übereilte Entscheidungen triffst oder aus dem Affekt heraus handelst.
Ein Beispiel für impulsives Verhalten liefert Petrus. Die Evangelien zeichnen ihn als leidenschaftlichen und temperamentvollen Menschen. In einer kritischen Situation, als Jesus im Garten Gethsemane verhaftet wird, greift Petrus zum Schwert und schlägt einem Soldaten ein Ohr ab. Obwohl er Jesus verteidigen will, handelt er voreilig und wird von Jesus zurechtgewiesen. Seine guten Absichten ändern nichts an der Tatsache, dass seine Emotionen ihn übermannt haben.
Die Bibel gibt in dieser Hinsicht folgenden Rat: „Mit Reden aufhören ist besser als mit Reden anfangen. Ruhig Blut bringt weiter als ein heißer Kopf. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen; nur Unverständige ärgern sich über alles“ (Prediger 7,8-9).
Frage dich in einem zweiten Schritt: Muss ich dieses Problem unbedingt sofort lösen oder kann ich es aufschieben, bis ich wieder einen klaren Kopf habe? Kann ich selbst überhaupt etwas an der Situation ändern oder brauche ich dabei Hilfe von anderen?
Sechs oder neun – eine Frage der Perspektive
Ein Perspektivwechsel kann ebenfalls helfen, emotional aufgeladene Situationen besser einzuordnen. Jonathan Gutmann empfiehlt, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen oder eine andere Perspektive einzunehmen. Das verdeutlicht er an folgendem Bild:
„Zwei Menschen stehen sich gegenüber. Auf dem Boden vor ihnen ist eine Zahl aufgemalt. Die eine Person behauptet, dass die Zahl eine 6 wäre, während die andere fest davon überzeugt ist, dass es eine 9 sei. Wenn keiner von beiden seine Position verändert, wird niemand der beiden erkennen, dass es abhängig vom jeweiligen Standpunkt ist, ob die Zahl nun eine 6 oder eine 9 ist.“
Beide haben recht – aus ihrer jeweiligen Perspektive. Gibt es eine Situation, in der du einen anderen Blickwinkel einnehmen könntest? Wer weiß, vielleicht ergeben sich dadurch völlig neue Lösungsansätze oder du stellst fest, dass das Problem gar nicht so schwerwiegend ist, wie du zunächst dachtest.
Bleibe möglichst sachlich
Ein weiterer Schlüssel zur Gelassenheit ist, Dinge erstmal nicht persönlich zu nehmen. Denn unter Stress reagieren wir oft empfindlicher als sonst auf Kritik, Missverständnisse oder ein schroffes Wort. Hier hilft es, innezuhalten und dich zu fragen: Meint der andere mich als Person – oder bezieht sich die Kritik auf eine konkrete Situation? Könnte an der Kritik etwas dran sein? Oder ist der andere selbst gestresst und reagiert über?
Wenn du auf der sachlichen Ebene bleibst, nimmt das schon mal ordentlich Druck aus dem Kessel. Du kannst klarer kommunizieren und gelassener reagieren. Und wenn du feststellst, dass an der Kritik nichts dran ist, darfst du sie guten Gewissens an dir abprallen lassen. Nicht jede Aussage muss dich aus der Fassung bringen.
Ein guter Umgang mit den eigenen Emotionen ist ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Stressmanagements. Wo bist du besonders anfällig für emotionale Reaktionen? Welche Situationen bringen dich leicht aus der Fassung – und was hilft dir, innerlich ruhig zu bleiben?
Grenzen erkennen und akzeptieren, regelmäßige Ruhepausen und ausreichend Schlaf sowie Ruhe in Konfliktsituationen bewahren – das sind drei Maßnahmen, um Stress zu reduzieren und zu mehr Gelassenheit zu finden. Welcher dieser Tipps ist für dich gerade am wichtigsten? Was wäre ein erster Schritt, den du heute gehen könntest?
Sarah-Melissa Loewen
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Quelle: Stress, lass nach!