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Aushalten oder ansprechen?

erstellt am 21.06.2025 00:00:00

Deine Tochter hat die leere Milchtüte zurück in den Kühlschrank gestellt, dich nervt die laute Musik des Nachbarn und dein Chef legt dir immer um fünf vor fünf noch eine neue Aufgabe auf den Schreibtisch. Willkommen im alltäglichen Ärger!

Du fragst dich: Warum nur sind die anderen so schwierig, so nervig, so anstrengend? Auch ich frage mich das manchmal – und dann denke ich mir: Bin ich etwa auch so? Wahrscheinlich! Wir alle nerven andere hin und wieder, bewusst oder unbewusst. Doch wann sollte ich ansprechen, dass mich etwas am anderen stört? Und wann besser beide Augen zudrücken?

„Wieso hast du nichts gesagt?“

Es ist oft nicht leicht, das richtige Maß zu finden zwischen Ehrlichkeit und Nachsicht. Ich erinnere mich in solchen Situationen oft an einen Gedanke aus der Bibel, der mir gleichermaßen hilft und mich herausfordert. Da schreibt der Apostel Paulus an die Epheser: „Habt Geduld und sucht in Liebe miteinander auszukommen“ (Epheser 4,2). In der Lutherüberzeugung klingt er sogar noch eindringlicher: „Ertragt einander in Liebe“.

Diese Aussage spricht mir direkt ins Herz. Denn oft ertrage ich den anderen nur, weil ich ihn liebe – und glaube dabei fälschlicherweise, dass ich aus Liebe auf jede Kritik verzichten müsste. 

Nicht immer geht das gut. Manchmal platzt mir irgendwann der Kragen und den anderen trifft dann direkt eine kalte Dusche an Vorwürfen. Dann bekomme ich später zu hören: „Wieso hast du nicht eher etwas gesagt?“ Ja, wieso eigentlich nicht. Wäre doch ganz einfach gewesen und in einer ruhigen Minute hätte ich dafür sicherlich auch liebevollere Worte gefunden.

Folgende fünf Tipps aus der Bibel helfen mir bei der Beurteilung einer nervigen Situation. Vielleicht geht es dir genauso.

1. Nicht jedes Gefühl braucht eine Reaktion

Wir kennen es alle. Im ersten Gefühl des Ärgers möchten wir am liebsten unserer Wut laut Luft machen. Schon wieder liegen die roten Socken in der hellen Wäsche und wir möchten den anderen am liebsten einen „farbenblinden Idioten“ nennen. 

Doch das ist nicht fair. Besser ist es, vor dem Explodieren einmal tief durchzuatmen und sich zu fragen: Wieso ärgert mich das gerade so? Hat der andere wirklich einen Fehler gemacht oder bin ich einfach gerade gestresst oder müde und nutze den anderen als Blitzableiter? 

Wenn mir in solchen Situationen regelmäßig die Hutschnur platzt, lohnt es sich, in einer ruhigen Minute genauer hinzuschauen: Was steckt hinter dem Ärger über die roten Socken?

Brodelt da vielleicht etwas aus meiner Vergangenheit in mir, was durch den aktuellen Vorfall wieder hochkommt? Zum Beispiel, dass meine Hilfe im Haushalt schon als Kind nicht wertgeschätzt oder meine Bitten immer übergangen wurden? 

Solche Fragen helfen mir, mich besser verstehen zu lernen und beim nächsten Mal besonnener zu reagieren. Die Bibel rät uns an vielen Stellen dazu. In Sprüche 19,11 steht: „Ein Mensch, der Einsicht hat, regt sich nicht auf; es gereicht ihm zur Ehre, bei Kränkungen Nachsicht zu üben.“

Im Neuen Testament wird Besonnenheit sogar als eine der Eigenschaften bezeichnet, die ein Leiter mitbringen soll (vgl. Titus 1,8). Selbst wenn du ein solches Amt nicht anstrebst, lohnt es sich, dich um Besonnenheit zu bemühen.

2. Aushalten heißt nicht alles schlucken

Etwas nicht anzusprechen, was dich an einem anderen Menschen stört, macht dich nicht schwach. Geduldig mit anderen zu sein, ist kein Zeichen von Gleichgültigkeit oder Harmoniesucht. Vielmehr beweist du innere Stärke, wenn du über die Fehler anderer hinwegsehen kannst.

Das trifft aber nur zu, wenn du dies aus freien Stücken tust. Wenn du hingegen aus Angst vor Konfrontation schweigst, aber sich Groll und Bitterkeit in deinem Herzen breitmachen, ist dies eher ein Anzeichen von Selbstverleugnung als von Geduld. Nicht nur trägst du dann dauerhaft Groll mit dir herum. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich deine Wut anstaut und irgendwann – und zwar ganz sicher im falschen Moment – Bahn bricht, steigt immens.

Gerade wenn du dich immer wieder über ein bestimmtes Verhalten einer Person ärgerst, ist es sinnvoll, über deinen Schatten zu springen und dies anzusprechen. Damit vermeidest du, dass ihr darüber wieder und wieder in Streit geratet.

Erst recht solltest du es dann tun, wenn das Verhalten des anderen nicht nur nervenraubend oder anstrengend, sondern falsch ist. Dein Mann flirtet mit anderen Frauen, dein Chef fordert dich auf, am Telefon für ihn zu lügen. Hier solltest du nicht mit lächelndem Gesicht ausharren, sondern mutig ansprechen, was Sache ist.

Das hat auch Jesus getan. Während er einerseits jeden Menschen in seiner ganz besonderen Art ansah, scheute er sich andererseits nicht davor, Fehlverhalten klar anzusprechen. In Matthäus 18,15 ermutigt er auch uns dazu: „Wenn dein Bruder – und das gilt entsprechend für die Schwester – ein Unrecht begangen hat, dann geh hin und stell ihn unter vier Augen zur Rede. Wenn er mit sich reden lässt, hast du ihn zurückgewonnen.“

Jesus macht hier klar: Unrecht wird nicht zu Recht, indem wir es totschweigen. Fehler müssen angesprochen, Schuld bereinigt werden.

Insgesamt rät die Bibel beim Umgang mit Ärger dazu, diesen rasch anzusprechen und sich ebenso rasch auch wieder zu versöhnen. In Epheser 4,26 rät Paulus: „Versündigt euch nicht, wenn ihr in Zorn geratet! Versöhnt euch wieder und lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ Behalte dies im Blick, wenn du ansprichst, was dich stört.

3. Beziehung klären statt Vorwürfe abladen

Wir wissen alle, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Fehlverhalten anzusprechen. Wir können dies anklagend tun und den anderen beschämen. Das treibt ihn meist in die Defensive und führt fast immer zu Konflikten.

Wir können es aber auch so vorsichtig und mit Samthandschuhen tun, dass unsere Kritik gar nicht erst beim anderen ankommt. Auch das ist häufig kontraproduktiv. Oder aber wir sagen klar, ehrlich, aber doch liebevoll, was wir zu sagen haben. So wird es uns auch in der Bibel empfohlen.

Wenn du also Kritik übst, hau sie dem anderen nicht nur um die Ohren und verzieh dich dann. Sondern erkläre in Ruhe, was dich verletzt hat und wieso. 

Dein Ziel sollte sein, eure Beziehung zu verbessern und eventuell sogar zu retten.

Vielleicht gehört dazu, dass du bewusst um ein Gespräch unter vier Augen bittest. Bei kleineren Dingen hilft auch manchmal etwas Humor. Bei dem Beispiel mit dem Socken könntest du etwa ein Foto der roten Socken zwischen den weißen per Whatsapp an deinen Mann schicken und darunter schreiben: „Wenn du deine Wäsche nicht pink magst, sortiere diesen kleinen Schlingel beim nächsten Mal aus.“

Damit sagst du, was du mitteilen willst, ohne direkte Vorwürfe zu machen. Natürlich funktioniert das nur, wenn dein Gegenüber einen ähnlichen Sinn für Humor hat wie du.

4. Zuhören, bevor ich urteile

Oft lohnt es sich auch, dein Bedürfnis erstmal als Bitte zu äußern, bevor du den anderen mit einem Vorwurf konfrontierst. Beispiel: In der Nebenwohnung läuft abends noch laute Musik. Bevor du mit dem Besenstil an die Wand klopfst, dich lautstark beschwerst oder gar die Polizei rufst, reicht vielleicht die einfache Frage: „Könnten Sie die Musik leiser drehen?“

Wenn du dies freundlich sagst, kommt dein Nachbar der Bitte vielleicht nach, ohne dass der Konflikt eskaliert. Möglicherweise hat er gar nicht daran gedacht, dass seine Musik dich stören könnte. Vielleicht feiert er auch seinen Geburtstag und lädt dich auf Sekt und ein Stück Kuchen ein. Natürlich muss es nicht so ausgehen, aber du gibst so dem anderen die Möglichkeit, deine Bedürfnisse ohne Streit zu berücksichtigen.

Gerade wenn jemand sich plötzlich anders verhält als du es von ihm kennst, liegen vielleicht besondere Umstände oder ein Missverständnis vor. Daher kann es sinnvoll sein, erstmal genauer nachzufragen, bevor du Kritik äußerst. 

Wenn du ohne anklagenden Tonfall „Warum tust du das?“ oder „Warum hast du das nicht getan?“ fragst, gibst du dem anderen die Möglichkeit zu erklären, dass er selbst den rote Socken übersehen oder deine Nachricht nicht erhalten und dich deshalb versetzt hat.

Oft sind es Kleinigkeiten und keine böse Absicht, die einen anderen Menschen davon abhalten, sich so zu verhalten, wie du es dir gewünscht hättest.

Wenn du ihn oder sie allerdings direkt mit Vorwürfen überschüttest, erfährst du das nicht. Und die Bereitschaft, sich auf deine Kritik einzulassen, schlägt dann leicht in Groll um.

Die Bibel rät uns, wenn es um Konflikte geht: „Jeder soll stets bereit sein zu hören, aber sich Zeit lassen, bevor er redet, und noch mehr, bevor er zornig wird“ (Jakobus 1,19). Wenn du dir diesen Spruch merkst und befolgst, wirst du erleben, dass deine Konflikte viel friedlicher verlaufen.

Auch bei regelmäßigen Frustrationen lohnt es sich, gemeinsam tiefer zu graben. Trödelt der andere immer dann, wenn ihr loswollt? Oder lässt dich mit einer Aufgabe immer allein? Dann ist es besser, du sprichst diesen Charakterzug im Allgemeinen an, statt nur Kritik an seinem Verhalten in einer Beispielsituation zu üben. Sonst streitet ihr immer wieder über diesen Punkt, ohne dass du verstehst, warum der andere dich in diesem Aspekt immer wieder reizt.

5. Gott hat ein offenes Ohr für deinen Frust

Wenn du bei dir selbst merkst, dass die Wut dich regelmäßig überrollt, wende dich mit deinem Frust bewusst an Gott. Schildere ihm deinen Zorn und deine Unfähigkeit, besonnen zu reagieren.

Wenn du vor ihm all deine Enttäuschung und Wut ausgesprochen hast, ist es im nächsten Schritt leichter, mit anderen bestimmte Situationen zu klären. Auch kann es sein, dass dir durch das Gebet mit Gott klar wird, wie du eine schwierige Situation mit einem anderen Menschen gut auflösen kannst.

Unterschätze nicht, was ein ehrliches Gebet in einem Konflikt bewirken kann.

Reibung macht uns reifer

Letztlich ist eines klar: Konflikte gehören zum Leben dazu. Selbst wenn du all diese Tipps befolgst, wirst du es wahrscheinlich nicht schaffen, jeden Konflikt gut zu klären. Oft kommen uns doch unsere Gefühle in die Quere oder aber der andere zeigt kein Interesse daran, sich zu ändern oder einen Schritt auf dich zuzumachen.

Das ist frustrierend, aber kein Grund, zu resignieren. Auch schwierige oder ungelöste Situationen können uns etwas zeigen: über uns selbst, über unsere Grenzen oder darüber, was uns wirklich wichtig ist.

Selbst belastende Konflikte können deinen Charakter im positiven Sinne schleifen – auch wenn dies oft im ersten Moment nicht sichtbar wird.

In der Bibel steht dazu in Sprüche 27,17 ein spannender Satz: „Eisen wird mit Eisen geschärft, und ein Mensch bekommt seinen Schliff durch Umgang mit anderen.“ Die Bibel geht also – anders als wir Menschen manchmal – nicht davon aus, dass unser Leben ohne Reibereien oder Konflikte abläuft. Sie sieht dies sogar als wichtigen Schritt unserer Charakterentwicklung.

Daher scheue Konflikte nicht und sprich an, was dich belastet oder stört. Doch verlier dabei nicht aus dem Blick, worum es im Kern geht: Ein besseres Miteinander herzustellen. Dies wird aber nur möglich, wenn du dich traust, anzusprechen, was dich belastet. Auch du selbst kannst an solchen Gesprächen wachsen.
 

Rebecca Schneebeli


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Quelle: Aushalten oder ansprechen?

von youthweb

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