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Zwischen WhatsApp, Instagram, E-Mails und Kalender-Erinnerungen rauscht das Leben an uns vorbei. Wir sind dauernd online, aber innerlich oft nicht da. Kennst du das auch? In der Freizeit und auch im Beruf können sich viele von uns digitalen Geräten kaum entziehen.
Doch gerade in der heutigen Zeit, wo ein Großteil unseres Lebens nur noch digital stattfindet, wächst bei vielen Menschen die Sehnsucht nach echten Begegnungen und Quality time im analogen Leben. Doch daran hindert oft vor allem das Smartphone.
Christina Schöffler (Foto: privat)
So geht es auch der Autorin Christina Schöffler und sie hat entschieden: Das muss sich ändern! Sie will wieder aufmerksamer im Hier und Jetzt leben. Daher hat sie ihren persönlichen Umgang mit digitalen Medien mal genauer beobachtet. Über ihre Erkenntnisse und Erfahrungen schreibt sie in ihrem Buch „Ich bin dann mal da – Gegenwärtig leben in einer digitalen Welt.“
Im Interview erzählt sie, warum es ihr so schwerfällt, einfach mal ganz da zu sein und was die typischen Fallen sind, in die sie immer wieder hineingetappt ist. Außerdem teilt sie einige Tipps, die ihr geholfen haben, bewusster mit digitalen Medien umzugehen.
ERF: Du und das Internet, seid ihr Freunde oder Feinde?
Christina Schöffler: Ich bin sehr dankbar für das Internet! Es hat mir viel ermöglicht. Zum Beispiel habe ich meine schriftstellerische Laufbahn dem Internet zu verdanken. Ich habe zuerst einen Onlineblog geschrieben und dann wurde ich von einem Verlag angefragt, ob ich daraus ein Buch machen möchte.
Das Internet verbindet mich auch mit vielen Menschen, die ich sonst nicht so häufig sehe oder ohne das Internet gar nicht erst kennengelernt hätte. Eine meiner besten Freundinnen habe ich online kennengelernt. Außerdem helfen die sozialen Medien, Menschen eine Stimme zu geben, die sehr zurückhaltend und introvertiert sind oder sonst gar keine Stimme hätten, zum Beispiel in Ländern, in denen es schwierig ist, sich frei zu äußern.
Die Verbindung zu anderen Menschen und natürlich der Zugang zu ganz vielen Informationen sind für mich der größte Nutzen des Internets.
Digitale Medien – Mehr Gefahren als Chancen?
ERF: Und welche Gefahren siehst du?
Christina Schöffler: Durch die mobilen Geräte, die wir überall mitnehmen können, greift das Internet sehr stark in unser Leben ein und fordert viel unserer Aufmerksamkeit. Das empfinde ich inzwischen als Problem. Im Durchschnitt greifen wir 80-mal am Tag zum Smartphone. Das ist fast schon ein zwanghaftes Verhalten. Wir lassen einfach zu, dass es uns ständig unterbricht und unsere Aufmerksamkeit bindet. Schon allein die Anwesenheit eines mobilen Geräts im Raum lenkt uns ab.
Und es raubt natürlich auch viel Zeit. Oft ist es so, dass ich nur kurz reinklicken will und dann doch viel mehr Zeit mit dem Smartphone verbringe, als ich eigentlich wollte. Die Nutzungsgewohnheit hat sich in den letzten Jahren stark verändert – von einem nützlichen Werkzeug zu einer Plattform, auf der man sich aufhält. Die Unternehmen versuchen, uns so lange wie möglich dort zu halten, und das gelingt ihnen sehr gut.
Henry David Thoreau hat mal den Satz gesagt: „Der Preis einer Sache ist die Menge dessen, was ich als Leben bezeichne, welches im Austausch dafür – früher oder später – hergegeben wird.“ Man denkt zwar, für die kostenlosen Apps müsse man nichts bezahlen, aber der Preis, den wir zahlen, sind unsere Daten und unsere Lebenszeit, die wir damit verbringen, und die Erfahrungen im echten Leben, die wir dadurch eben verpassen.
Das erlebe ich selbst immer wieder: Statt rauszugehen und etwas zu erleben, verbringe ich viel zu viel Zeit an meinem Smartphone. Viele denken möglicherweise: Ist halt so. Aber ich denke: Nein, das muss nicht so sein!
Gemeinsame Zeit – besser offline statt online
ERF: Digitale Medien rauben uns vor allem unsere Zeit und Aufmerksamkeit. Was kommt bei einem hohen Medienkonsum noch unter die Räder?
Christina Schöffler: Was für mich zu kurz kommt, sind persönliche Rückzugszeiten, in denen ich nachdenken und reflektieren kann. Und es sind vor allem die echten Begegnungen.
Anna Miller hat ein ganz tolles Buch namens „Verbunden“ geschrieben. Darin gibt sie den Rat: Real life first, digital life second. Also echte Begegnungen vorzuziehen und zu überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, uns in echt zu treffen. Wir könnten uns zum Beispiel statt ständig Sprachnachrichten hin und her zu schicken, lieber einmal die Woche oder alle zwei Wochen auf Kaffee und Kuchen verabreden.
Diese Zeit hat einen ganz anderen Wert und auch der Austausch ist ganz anders als nur über Nachrichten. Denn in der digitalen Kommunikation können wir die Mimik des anderen nicht lesen, da geht ganz viel verloren.
ERF: Der Untertitel deines Buches lautet „Gegenwärtig leben in einer digitalen Welt“. Was genau meinst du damit?
Christina Schöffler: Ich meine dieses bewusste Dasein. Ruhemomente auch mal zuzulassen und eine Weile einfach mal nach draußen aus dem Fenster zu starren. Der Griff zum Smartphone verhindert das oft und die digitalen Medien verlocken uns dazu, dass wir auch das Gemeinschaftserlebnis, miteinander an einem Ort zu sein, nicht mehr wahrnehmen. In der Bahn oder im Wartezimmer etwa schaut jeder in sein Gerät und ist für sich.
Aber wenn wir uns umschauen und wahrnehmen, wo wir gerade sind, mit wem wir gerade da sind, dann können wir auch die Gelegenheiten nutzen, zusammen hier zu sein.
Ich meine damit auch da zu sein in meiner Beziehung mit Jesus und mit ihm in Verbindung zu treten. Er nennt sich selbst ja der „Ich-bin-da-Gott“, er ist ein ganz gegenwärtiger Gott. Und ich glaube, umso mehr ich bei mir selbst bin und aufmerksam im Moment lebe, desto mehr kann ich auch wahrnehmen, was Jesus gerade tut.
Von Jesus lernen
ERF: Inwiefern ist Jesus für dich ein Vorbild, wenn es darum geht, präsent und aufmerksam zu sein?
Christina Schöffler: Ein ganz großes Vorbild. Was ich an Jesus so mag, ist, dass er trotz all dem Trubel ganz gegenwärtig im Moment gelebt hat. Er hat sich ganz bewusst regelmäßige Zeiten genommen, um sich zurückzuziehen.
Zum Beispiel wurde er am Anfang seines Wirkens von Menschenmassen belagert, aber er ging auf einen Berg und kam mit einer großen Klarheit über seinen Auftrag zurück. Seine Jünger waren ganz nervös und sagten: „Alle suchen dich! Wo bist denn du?“ Und Jesus antwortete: „Lasst uns weitergehen in den nächsten Ort“.
Und ich finde, dieses „Alle suchen dich“ beschreibt so gut die vielen offenen Kommunikationskanäle und was aus den Medien alles auf uns einströmt. Jesus war fähig, die Stille zu suchen und sich nicht drängen zu lassen von dem, was von außen auf ihn einströmte. Er ließ sich von innen leiten, aus der Verbindung zu seinem Vater heraus und von seinem Auftrag, und hat so aus einem großen inneren Frieden heraus gelebt.
Selbst als er unterwegs war zu einem Kind, das im Sterben lag – eine echte Notsituation! – nimmt er wahr, dass eine Frau ihn an seinem Gewand berührt und lässt sich unterbrechen. Das zeigt, wie aufmerksam Jesus für das war, was um ihn herum geschah und wie wenig er sich ablenken ließ von diesem ganzen Rummel, der um ihn war. Jesus ist mir ein unfassbares Vorbild darin.
Typische Fallen im digitalen Alltag
ERF: Beschreib mal deinen Medienkonsum, bevor du dich mit diesem Thema intensiver auseinandergesetzt hast. Gab es bestimmte Fallen, in die du immer wieder hineingetappt bist?
Christina Schöffler: Ich habe mein Smartphone auch als Wecker benutzt und der allererste Griff ging morgens zum Handy. Ich habe den Handy-Wecker ausgeschaltet und dann gleich nachgeschaut, ob ich über Nacht irgendwelche Nachrichten bekommen habe. Die Textnachrichten lese ich sofort und ach, die Sprachnachrichten kann ich ja auch noch kurz abhören. Und wenn ich schon dabei bin, gucke ich gleich noch, was gerade newsmäßig los ist.
So bin ich schon relativ gehetzt in den Tag gestolpert. Als ich mein Kind in die Schule geschickt und mich mit meiner Bibel hingesetzt habe, war mein Kopf schon voll. Einer Freundin ging es ähnlich und sie hat gesagt, sie will keine Nachrichten auf nüchterne Seele. Diesen Satz fand ich schön und ich dachte: Ich will das auch nicht mehr.
Ich habe gemerkt, dass ich viel zu viel auf mich einströmen lasse und in meinen Gedanken so zerstreut bin, dass es mir dann wirklich schwerfällt, zur Ruhe zu kommen und mich auf das zu fokussieren, was mir wichtig ist im Leben.
Gottes Stimme ist sehr sanft, sie ist nicht laut und drängend. Aber das Problem ist, dass alle anderen Stimmen – besonders die im Internet – sehr laut sind und nach Aufmerksamkeit schreien.
Ein Punkt war auch, dass mein Handy immer griffbereit war. Ich habe unglaublich oft drauf geschaut, immer wenn sich eine Lücke zwischen all den Terminen und Aufgaben ergeben hat. Auch, wenn ich mich mittags kurz hingelegt habe, habe ich rumgescrollt. Es hat einfach zu viel Raum in meinem Leben eingenommen. Zwar habe ich immer mal wieder so Detox-Zeiten gemacht, wo ich das Smartphone ganz verbannt habe, aber ich bin schnell wieder in die alten Fallen getappt. Deshalb habe ich mich mehr damit auseinandergesetzt, wie ich das ändern könnte.
Gefangen am Smartphone
ERF: Kannst du von einer Situation erzählen, in der du nur rein physisch anwesend warst, weil du am Smartphone beschäftigt warst, und dadurch einen wichtigen oder schönen Moment verpasst hast?
Christina Schöffler: Mir tut es total gut, zwischendurch mal raus in die Natur zu gehen. Ich versuche dann, mein Smartphone zu Hause zu lassen, aber das gelingt mir nicht immer. Ich hatte es vor ein paar Tagen wieder in der Hosentasche und dann habe ich, während ich spazieren ging, bei WhatsApp Nachrichten eingetippt und aufgesprochen.
Ich kam völlig erschöpft wieder zu Hause an und habe gemerkt: Ich habe die Erholung total verpasst, die ich gesucht habe und die ich hätte haben können. Ich hätte tief durchatmen und mich in der Natur der größeren Realität aussetzen und mit Jesus verbinden können.
Vielleicht hätte ich mit jemandem, der mir entgegenkommt, ein kleines Gespräch führen können. Aber stattdessen stiefele ich durch die Natur, starre die ganze Zeit auf diesen blöden Bildschirm, komme völlig fertig heim, um dann wieder den Computer hochzufahren.
ERF: In deinem Buch erzählst du, dass du während der Fastenzeit WhatsApp von deinem Smartphone gelöscht hast und 40 Tage lang nur noch per Telefon oder persönlich erreichbar warst. Hat dir während dieser Zeit etwas gefehlt?
Christina Schöffler: Ich lege immer wieder digitale Fastenzeiten ein und die Zeit rund um Ostern ist eine gute Gelegenheit dafür. Als ich den Messenger ausgeschaltet hatte, habe ich erstmal gemerkt, wie viel Zeit mir das ständige „Hin-und-her-Schreiben“ genommen hat – und wie gut die anderen auf meine Anwesenheit auf WhatsApp verzichten können.
Die ersten Tage war das sehr erschreckend, hatte dann aber was Befreiendes. Ich hatte plötzlich unglaublich viel Zeit für das Leben, das direkt vor mir liegt. Für einen Spaziergang mit einer Freundin oder ein Schwätzchen mit der Nachbarin.
Ich habe auch festgestellt, dass ich über WhatsApp viele Kontakte habe, die eigentlich nicht meine engsten Freunde sind, sondern Nachrichten, wo ich denke, da muss ich jetzt noch schnell drauf antworten. Darunter leiden oft mein Sohn oder mein Mann, also die Menschen, die mir am nächsten sind.
Digitale Balance: Tipps für einen bewussteren Umgang
ERF: Was hat dir geholfen, besser oder zumindest bewusster mit den digitalen Medien umzugehen? Kannst du zwei, drei ganz konkrete Hilfen nennen?
Christina Schöffler: Als Erstes habe ich mir einen Wecker gekauft und mir angewöhnt, mein Handy morgens erst einzuschalten, wenn meine Seele nicht mehr nüchtern ist und ich Zeit mit Gott hatte. Ich merke, dass es mir sehr guttut, nicht so von außen gehetzt in den Tag zu starten. Genauso am Abend, da versuche ich, das Smartphone immer zu einer bestimmten Uhrzeit auszuschalten.
Ich versuche, heilige Zeiten und heilige Räume zu haben, wo das Smartphone nicht dabei ist.
Unser Wohnzimmer ist so ein Raum und auch am Esstisch gibt‘s kein Smartphone. Auch sonst versuche ich, mein Smartphone irgendwo hinzulegen, wo es nicht sofort griffbereit ist, zum Beispiel auf ein hohes Regal oder in die Schreibtischschublade. Das gelingt mir nicht immer alles, aber das ist die Richtung, in die ich gehen will.
ERF: Du arbeitest sehr viel am Computer, wie viele andere Menschen mit klassischen Bürojobs auch. Das lässt sich nicht vermeiden, außer man wechselt den Beruf. Wie kann man trotzdem digital achtsam sein? Wie gelingt dir das?
Christina Schöffler: Wenn ich vor dem Computer sitze und so richtig im Flow bin, vergesse ich, dass ich ja noch einen Körper habe, der an meinem Kopf hängt. Irgendwann merke ich, dass mein Rücken weh tut oder dass ich meine Schultern die ganze Zeit total verkrampft hochziehe. Dann hilft es mir, mal rauszugehen an die frische Luft und eine Runde spazieren zu gehen.
Auch meine Konzentration lässt nach einer Weile vor dem Bildschirm deutlich nach. Anna Miller empfiehlt, alle 30 bis 45 Minuten eine kurze Pause einzulegen und mal in die Ferne zu gucken, um die Augen zu entlasten. Außerdem ist es gut, in der Pause etwas Haptisches mit den Händen zu machen. Zum Beispiel Wäsche aufzuhängen oder zu kochen.
Wenn ich merke, ich brauche jetzt mal richtig was zum Anfassen, gehe ich in den Garten runter und grabe da ein bisschen was um. Mein Mann kriegt immer die Krise, denn er ist der professionelle Gärtner bei uns. Aber mir tut das richtig gut und gibt mir einen guten Ausgleich.
So gelingt ein gegenwärtiges Leben
ERF: Was hast du dir außerdem vorgenommen, um stärker im Hier und Jetzt zu leben?
Christina Schöffler: Ich will lernen, die Lücken in meinem Alltag auszuhalten und nicht in jeder freien Minute nach dem Smartphone greifen. Und ich will schlechte Gefühle aushalten lernen. Denn ich habe gemerkt, dass ich schnell zum Smartphone greife, wenn es mir emotional nicht gut geht, um das zu betäuben und mich abzulenken.
Stattdessen will ich spüren, was gerade eigentlich mit mir los ist und das dann einfach mal mit Jesus besprechen. Das gilt auch für Freude und schöne Gefühle! Denn auch die glücklichen Momente werden durch den Griff zum Smartphone gedämpft und irgendwie betäubt.
Außerdem will ich mich an meinem Ort verwurzeln, wo ich lebe. Ich will mir Zeit nehmen, meine Nachbarn kennenzulernen und nach ihrem Namen fragen. Ich will gucken, wie die Vögel in meinem Garten heißen und welche Bäume dort wachsen.
Das alles hilft mir, mir bewusst zu machen: Ich bin hier und hier ist mein Leben mit Gott. Und das ist so kostbar!
ERF: Du schreibst in deinem Buch, du willst das Loslassen lernen und das Handy immer öfter in der Schublade liegen lassen. Was willst du stattdessen mit deinen freien Händen tun?
Christina Schöffler: Das ist eine schöne Frage. Ich will sie einfach Jesus hinhalten und fragen: Hier bin ich, was sollen wir zusammen machen? Und dann einfach schauen, was er mir reinlegt. Wenn wir ihm unsere Hände hinstrecken, legt er uns so viel Gutes hinein und das will ich nicht verpassen!
ERF: Danke für das Interview.
Sarah-Melissa Loewen
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Quelle: Handy aus, Leben an!