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Wer will ich dieses Jahr sein?

erstellt am 02.01.2023 00:00:00


Im Leben ist es wie in Hollywood. Es gibt Helden, Bösewichte, Opfer, Mentoren und jene traurigen Gestalten, die man als Mitläufer bezeichnet. Das alles wird vom Anthropologen Prof. Dr. Joseph Campbell und dem Publizisten und Drehbuchautor Christopher Vogler meisterlich beschrieben. 

Am Anfang des neuen Jahres möchte ich Ihnen und mir die Frage stellen, welche Rolle wir für das kommende Jahr übernehmen werden? Dazu lade ich Sie ein auf eine kleine Entdeckungsreise in die faszinierende Welt des Storytellings.
 

Der Mitläufer  

Die traurigste Rolle nimmt der Mitläufer ein. Er hat keine eigene Meinung und lässt sich schnell von anderen beeinflussen. Ob in der Menge oder als Einzelner, der Mitläufer ist dabei. 

Allerdings kann man nicht auf ihn zählen, denn sobald Schwierigkeiten auftreten, ist der Mitläufer der Erste, der das Weite sucht. 

Mitläufer sind wie Wellenreiter. Sie suchen nach der perfekten Welle. Haben sie die gefunden, machen sie sich die kinetische Energie der Woge zu eigen und sausen mit halsbrecherischem Tempo und eleganten Schwüngen dem Ufer entgegen. 

Wellenreiter „leben“ von der Kraft der Welle und der Fähigkeit, die Situation zum eigenen Vorteil auszunutzen. Aber, und das gehört auch zur Wahrheit, am Ende des Wellenritts, dann, wenn die Kraft der Woge erschöpft ist, gehen Wellenreiter ausnahmslos baden. 

Will ich das kommende Jahr Mitläufer sein?
 

Der Mentor

Eine völlig andere Rolle nimmt der Mentor im Storytelling ein. Er begleitet den Helden der Geschichte ein Stück des Weges. Unterstützt mit klärenden Fragen und hilfreichen Empfehlungen dessen Entwicklung. 

Das kann der Mentor tun, weil er ein Wissender ist. Er ist schon dort gewesen, wohin der Held unterwegs ist, kennt die Tücken und Gefahren des Wegs. Er weiß Bescheid. Und das Schöne ist: Er gibt freiwillig und ohne dafür eine Kompensation zu erwarten.

Der Mentor ist für die Entwicklung des Protagonisten unverzichtbar, schließlich verfügt er über Wissen und Fertigkeiten, die zur Erreichung des Ziels notwendig sind. 

Will ich im kommenden Jahr für einen oder mehrere Menschen in die Rolle eines Mentors schlüpfen? Bin ich bereit, mich zu investieren? Auch auf die Gefahr hin, dass dieses Bemühen keine oder erst späte Früchte trägt? Leiste ich es mir, anderen von meinem (Erfahrungs-) Schatz weiterzugeben?
 

Das Opfer

Ich sage es ungern, aber diese Rolle passt für viele von uns wie ein eigens geschneiderter Maßanzug. 

Als Opfer ist mir etwas angetan worden. Ich unschuldiger Mensch habe leiden müssen. Jetzt kann ich klagen und vielleicht Entschädigung einfordern. 

Das Problem des Opfers besteht darin, dass es meistens in seiner Rolle verharrt und Hilfe von außen erwartet. Diese Haltung kann sich zu einem Anspruchsdenken verfestigen. 

Will ich im kommenden Jahr in dieser Rolle verharren? Bleibe ich passiv? Erwarte ich Hilfe von anderen oder bin ich bereit, mich eigeninitiativ aus dem Schlamassel herauszuarbeiten, in den ich (vielleicht schuldlos) hineingeraten bin?
 

Bösewicht oder Held? 

Im Film ähneln sich Antagonist und Held in vielem. Beide verfügen über große Energiereserven und den unbedingten Wunsch, sich durchzusetzen. Beide kommen damit sehr weit. 

Was also ist der Unterschied, sieht man einmal von den finsteren Motiven und Machenschaften des Bösewichts ab? 

Anders als der Protagonist findet im Leben des Antagonisten keine Entwicklung der Persönlichkeit statt. Man könnte auch sagen: Der Bösewicht bleibt zweidimensional, wo der Held an sich und seinen Herausforderungen innerlich wie äußerlich wächst. 

Zwei Beispiele: Während der junge Jack Dawson an der Seite von Rose DeWitt Bukater im Film Titanic erst zum Mann und letztendlich zum selbstlosen Helden reift, der sich sogar für seine neue Freundin aufopfert, bleiben seine Widersacher, der Unternehmersohn Caledon „Cal“ Hockley und sein Butler Spicer Lovejoy in sich gefangen und gehen schließlich – früher oder später – unter. 

Nicht anders verhält es sich mit Judas Iskariot und Simon Petrus. Während der eine sich enttäuscht von seinem Meister abwendet, erst zum Verräter wird und später sich selbst richtet, gelingt es Petrus, der auf seine Weise Jesus verrät, trotz seines Versagens innerlich zu wachsen und gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen. Nachlesen können sie die Begebenheit von Judas und seinem Ende hier. Im Gegensatz dazu die Geschichte von Petrus und ihrem versöhnlichen Ende.    

Die Mission des Helden ist bei Weitem die anstrengendste Rolle im kommenden Jahr. Sie wird fordern und herausfordern. Sie werden an schier unüberwindbare Grenzen stoßen und manchmal an sich selbst und ihrer Umwelt verzweifeln. Ein guter Ausgang ist nicht garantiert. Aber es ist eine erfüllende und zutiefst befriedigende Art zu leben und zu arbeiten.

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Wolf-Dieter Kretschmer


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Quelle: Wer will ich dieses Jahr sein?

von youthweb

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