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Fisch und Frosch – Hand in Hand im Konsum. Ein Interview mit Hanniel Strebel.

erstellt am 22.12.2013 07:00:54

Der Fisch merkt nicht, dass er nass ist. Der Fisch sieht auch nicht den Frosch, der im heißer werdenden Wasser sitzt. Wir sind der Fisch, der Konsum ist das Wasser. Langsam werden wir zu Fröschen. Das ist die Evolution des Konsums.

Mein Freund Hanniel Strebel hat sich intensiv mit dem Thema Konsum beschäftigt. Ich danke ihm für seine Antworten!

1. Was ist Konsum? Was bedeutet die Aussage, dass der Westen eine Konsumgesellschaft ist?

Ich sehe den Konsumismus als weltweites, nicht nur als westliches Phänomen. Ich denke da an den kürzlich erschienenen Bericht von den Chinesen, die am „Tag der Singles“ online Rekordkäufe tätigten. Die Zeitungen sprachen von einem „Konsumrausch“.

Norbert Bolz, Medien- und Kommunikationstheoretiker, beschreibt in seinem Buch „Das konsumistische Manifest“ den Konsum als Ersatzreligion. Er ist für den Konsumenten „Wiederverzauberung einer entzauberten Welt“. Das Warenangebot dient als Beihilfe zur Selbsttäuschung. Bolz spricht vom „Kult der Ware“. Alltägliche Waren werden mit „spirituellem Mehrwert“ aufgeladen. Geld wird zum „technischen Ersatz für Gott“, weil sie „universale Quelle der Motivation“ ist. Die Habsucht wird zur Tugend erklärt, denn sie zähmt die anderen Leidenschaften. Da Geld den einzigen Sinn habe ausgegeben zu werden, stoße sie im Konsumenten „Dauerreflexion auf Konsummöglichkeiten“ an. Städte sind Schauplätze einer religiösen Inszenierung des „spirituellen Mehrwertes“. Die Unternehmen spezialisieren sich auf das „Emotional Design“. Sie treten auf dem Markt der Gefühle auf und bieten eine passende „Story“ an. Der Konsument konsumiert selbst den Konsum, denn er ist im Grunde genommen ständig auf der Flucht vor der Langeweile. Die Lust des Neuen hängt am Kaufakt, nicht am Besitz. „Konsum ist die rituelle Handlung, die aus allgemeinen Waren das individuelle Wahre schafft.“ Der Konsument betreibt ständig „Self-fashioning“. Sein Leben wird zum Stoff eines Kunstwerks. Der Wunsch nach einem Wunsch hat den eigentlichen Wunsch ersetzt. Der Konsument will verführt werden. Konsumieren braucht Zeit, und darum ist Konsum vor allem Zeitkonsum. Konsumieren muss beschleunigt werden: Der erste Eindruck zählt, und die Kunden müssen zu einer raschen Entscheidung verführt werden.

Wenn ich diese Analyse durch die „Brille“ der Bibel anschaue, stelle ich fest: Konsum beginnt dann, wenn wir uns nicht mehr an Nahrung und Kleidung genügen lassen (1. Tim 6,8). Paulus spricht zum Beispiel davon, dass der Bauch zum Gott werden kann (Phil 3,19). Menschen, die Gott entfremdet sind, haben ihr sittliches Empfinden abgestumpft und geben sich der Zügellosigkeit hin, „um jede Art von Unreinheit zu verüben mit unersättlicher Gier“ (Eph 4,19). Konsum beginnt also dann, wenn sie Teil der eigenen Identität wird. Die Gabe des Schöpfers wird zum Gott, anstatt dass sie mit Dankbarkeit angenommen wird (1. Tim 4,4). Wie kann ich das feststellen? Es treten Entzugserscheinungen ein, wenn der „Nachschub“ fehlt.

2. Der Satz ‘Ich konsumiere, also bin ich glücklich’ spielt auf Descartes an (‘Ich denke also bin ich’). Was meinst du damit?

Descartes machte seine Existenz von seinem eigenen Denken abhängig. Das war eine fatale Fehlüberlegung mit unüberschaubaren Folgen. Hier sehe ich den Vergleichspunkt: Konsumismus definiert das „gute Leben“ an der Anzahl Reize mittels neuer Anschaffungen. Dazu zähle ich auch mediale Reize. Es beginnen sich – so beschreibt es der Volkswirtschaftler Mathias Binswanger – die „Tretmühlen des Glücks“ zu drehen.

3. Wie wirkt sich unsere Konsumhaltung auf unsere Beziehungen aus (Partner/Ehe, Kinder, Freunde und Gott)?

Entscheidend ist unsere Beziehung zu Gott. John Piper bringt es in seinen Büchern „Sehnsucht nach Gott“ und „Dein Leben ist einmalig“ auf den Punkt: Wir hängen dem Material nur dann an, wenn wir noch nicht verstanden haben, wo die wahre Freude herkommt. Das Ziel unseres Lebens ist es, Gott zu ehren und sich an ihm zu freuen. Unsere Sehnsucht nach Freude und Erfüllung bleibt so lange ungestillt, wie sie nicht Gott selbst, den Geber aller Gaben, zum Ziel hat.

Wie macht sich das in unseren Beziehungen spürbar? Bei den Kindern beobachte ich zweierlei:

  • (Zu) viel Material: Wenn ich auf die Online-Marktplätze gehe und nach Material suche, so werde ich beinahe erdrückt vom Angebot. So erstanden wir vor einiger Zeit online 14,2 kg Lego für etwa 100 Euro. Wohl gemerkt: Fast alles Spezialteile, von der Marsstation über Star Wars Krieger bis zum Tieflader war alles dabei – in Einzelteilen. Der etwa zwölfjährige Junge wollte unbedingt ein neues Bike kaufen und brauchte Bares. Ich kann mich nicht erinnern, als Kind jemals so viel Lego auf einem Haufen gesehen zu haben.
  • (Zu) hohe Erlebnisdichte: Ein durchschnittliches Schweizer Kind sieht rund zwei Stunden täglich fern. Diese Werte sind im europäischen und amerikanischen Vergleich noch tief. Dazu kommt (je länger je mehr) der Aufenthalt in virtuellen Räumen. Diese Flut an Signalen verändert doch den inneren Bezugsrahmen eines Kindes.

Letztlich leiden Beziehungen darunter. Wenn ich auf meine Umgebung blicke, stelle ich fest: Es bleibt…

  • weniger Zeit für die Ehe: Die Ehepartner geben einander die Türklinken in die Hand. Beide arbeiten, betreuen Kinder, pflegen ihren Freundeskreis, machen Weiterbildungen. Wie eine Beziehung so längerfristig überlebensfähig bleibt, ist mir ein Rätsel.
  • weniger Energie für Kontakte: Die Kinder sind den ganzen Tag in der Schule und in den Kindertagesstätten. Die Eltern arbeiten und bilden sich weiter. Wo bleibt denn da noch die Zeit für gemeinsame Familienzeiten, Besuche bei Freunden, ungezwungene Sparziergänge?

4. Ist Konsum immer falsch? Was ist eine Alternative?

Ich muss hier die Perspektive Salomos aus dem Buch Prediger einbringen:

„Ist es dann nicht besser für den Menschen, dass er esse und trinke und seine Seele Gutes genießen lasse in seiner Mühsal? Doch habe ich gesehen, dass auch das von der Hand Gottes abhängt. Denn: Wer kann essen und wer kann genießen ohne mich?“ (Pred2,24-25)

Der weise Salomo spricht davon, dass ich Essen und Trinken genießen kann. Er fügt gleich das Entscheidende hinzu: Ob ich etwas genießen kann, hängt von der Hand Gottes ab. Er gibt mir nicht nur seine guten Gaben, sondern er bestimmt auch, ob ich sie genießen kann. Salomo nimmt im ganzen Buch bewusst eine Perspektive „unter der Sonne“ ein, um aufzuzeigen, dass ein sinnerfülltes Leben erst dann möglich ist, wenn es in allen Facetten mit Gott in Zusammenhang gebracht wird.

„Siehe, was ich für gut und für schön ansehe, ist das, dass einer esse und trinke und Gutes genieße bei all seiner Arbeit, womit er sich abmüht unter der Sonne alle Tage seines Lebens, die Gott ihm gibt; denn das ist sein Teil. Auch wenn Gott irgend einem Menschen Reichtum und Schätze gibt und ihm gestattet, davon zu genießen und sein Teil zu nehmen und sich zu freuen in seiner Mühe, so ist das eine Gabe Gottes.“ (Pred 5,17-18)

So danke ich meinem Schöpfer für alles, was ich genießen darf – z. B. das auserlesene, liebevoll zubereitete Essen; einen wohl bedachten und stimulierend geschriebenen Text. Ich genieße die Gemeinschaft mit meiner Frau. Auch davon schreibt der Prediger:

„So geh nun hin, iss mit Freuden dein Brot und trinke deinen Wein mit fröhlichem Herzen, denn Gott hat dein Tun längst gebilligt! Lass deine Kleider allezeit weiß sein, und lass das Öl nicht fehlen auf deinem Haupt! Genieße das Leben mit der Frau, die du liebst, alle Tage deines nichtigen Lebens, das er dir unter der Sonne gegeben hat, alle deine nichtigen Tage hindurch; denn das ist dein Anteil in [diesem] Leben und in der Mühe, womit du dich abmühst unter der Sonne.“ (Pred 9,7-9)

Jemand schickte mir ein Zitat vom Theologen Johannes Wichelhaus (1819-1858) zu, der es auf den Punkt bringt:

„Suchen Sie es überhaupt nicht hier und da in Vielerlei, sondern studieren Sie regelmäßig und stille Gottes Wort und gute gediegene Bücher; repetieren Sie solches fleißig und gönnen Sie übrigens dem Leibe seine Notdurft, der Jugend ihre Rechte und lassen Sie sich vom Teufel keine finstern und trüben Gedanken einjagen. Tue was dir befohlen ist – genieß was dir gegeben ist – das ist meine einfache Lebensregel, und übrigens frage ich nach mir selbst nicht. Das ist doch alles Tod und Eitelkeit, was aus dem Menschen hervorkommt – ich sehe aber die Sonne an, die am Himmel steht, unsern Herrn und Heiland, der täglich aus seiner Fülle darreicht Feuer auf einen ausgebrannten Herd, Wärme in ein todkaltes Herz, Kraft in erstarrte und widerspenstige Glieder.“

Dieser Beitrag erschien zuerst auf josiablog.de und wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

von ruditissen

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